Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb

Bei der Bestimmung der Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) ist auf die Mitunternehmer abzustellen, die am Ende des (ggf. abweichenden) Wirtschaftsjahrs an der Mitunternehmerschaft beteiligt waren.

Rechtsfrage

Ist zur Bestimmung des für den Anteil des Mitunternehmers am Gewerbesteuer-Messbetrag maßgeblichen allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels auf das Ende des Erhebungszeitraums oder aber auf das Ende des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs der Mitunternehmerschaft abzustellen?

Sachverhalt: Ausscheiden eines Mitunternehmers nach Ende des Wirtschaftsjahres, aber vor Ende des Kalenderjahres

  • Die Klägerin ist eine KG, an der im Jahr ihrer Gründung 2004 neben der Komplementärin (V-GmbH) als Kommanditist H beteiligt war.
  • Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn für Wirtschaftsjahre vom 1.07. bis zum 30.6.
  • In § 18 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin ist u. a.  geregelt, dass die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters mit den Erben fortgesetzt wird, wenn es sich hierbei um den Ehegatten oder einen Abkömmling handelt.
  • Im August 2018 verstarb H. Er wurde je zur Hälfte beerbt von seiner Ehefrau I und von seiner Tochter S. Im Januar 2019 wurden I und S mit einer Kommanditeinlage von je 12.500 EUR im Wege der Sondererbfolge nach H als Kommanditisten der Klägerin in das Handelsregister eingetragen.
  • Für das Streitjahr 2018 gab die Klägerin am 12.8.2019 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung ab. Als Feststellungsbeteiligte benannte sie die V-GmbH sowie H.

Am 10.10.2019 erließ das Finanzamt (FA) den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid für 2018). Als Feststellungsbeteiligte wurden neben der V GmbH der „Gesamtrechtsnachfolger/in nach“ H aufgeführt. In den Erläuterungen des Bescheids wurde darauf hingewiesen, dass H verstorben und von I und S beerbt worden sei.

Ebenfalls am 10.10.2019 erließ das FA einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2018 für die Klägerin (Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG). Darin wurde der Gewerbesteuermessbetrag aufgeteilt auf die V-GmbH und die Erben I und S. Die für den Feststellungszeitraum tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer der Klägerin wurde ebenfalls aufgeteilt auf die V-GmbH sowie die Erben I und S.

Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin das Ziel der Zurechnung der Gewerbesteuermessbeträge an H.

Finanzgericht gibt Klage überwiegend statt

Das FG änderte den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG insoweit, als I und S nicht selbst als Feststellungsbeteiligte aufzunehmen seien, sondern ihnen als Miterben nach H ein Anteil an dem Gewerbesteuermessbetrag sowie eine anteilig tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer zuzuweisen sei. Im Übrigen wies das FG die Klage hinsichtlich des Gewinnfeststellungsbescheids ab. Die Revision ließ es nur wegen der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG zu.

Finanzamt rügt fehlerhafte Anwendung des § 35 Abs. 2 EStG

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung von Bundesrecht, insbesondere eine fehlerhafte Anwendung des § 35 Abs. 2 EStG durch das FG. Das FA habe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH die Zurechnung des Gewerbesteuermessbetrags und der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer auf die am Ende des Erhebungszeitraums an der Klägerin beteiligten Mitunternehmer I und S vorgenommen. An dieser Rechtsprechung sei auch im Fall eines abweichenden Wirtschaftsjahrs festzuhalten und auf die Verhältnisse zum Ende des Erhebungszeitraums am 31.12. abzustellen.

Entscheidung: Bezugspunkt der Aufteilung ist das Ende des Wirtschaftsjahres am 30.6.2018

Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags waren der Steuermessbetrag sowie die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des abweichenden Wirtschaftsjahrs am 30.6.2018 an der Klägerin beteiligt waren. Dazu gehörte im Urteilsfall neben der Komplementärin V-GmbH auch der erst nach diesem Zeitpunkt durch Tod ausgeschiedene Kommanditist H; die Erben I und S sind lediglich als dessen Sonderrechtsnachfolger Adressaten der geänderten Feststellung.

Anknüpfung an die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft

Schuldner der Gewerbesteuer ist nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG die (Personen-)Gesellschaft. Die Gewerbesteuer mindert folglich den Gesamthandsgewinn der Personengesellschaft, der nach dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel den Gesellschaftern zugewiesen wird. Insoweit trifft der Aufwand alle Gesellschafter auf der Grundlage des gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsschlüssel. Der BFH hat aus der Anknüpfung an die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft gefolgert, dass der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel als Maßstab der Aufteilung für die Ermittlung der Steuerermäßigung für den Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbesteuer am Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums zu bestimmen sei (BFH, Urteile v. 14.1.2016, IV R 5/14, BStBl II 2016, 875 und v. 14.1.2016, IV R 48/12).

Andere Beurteilung bei abweichendem Wirtschaftsjahr geboten

Die diesen Urteilen zugrunde liegenden Fallkonstellationen betrafen kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahre. Nicht zu entscheiden hatte der BFH bislang über den zeitlichen Bezugspunkt des Verteilungsmaßstabs in § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG in einem Fall wie dem Streitfall, der ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr betrifft. Zu Recht hat das FG entschieden, dass letztlich nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen ist, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Mit dem FG geht der BFH davon aus, dass zeitlicher Bezugspunkt des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels als maßgeblicher Verteilungsmaßstab in § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG stets das Ende des Wirtschaftsjahrs ist, das der Ermittlung des Gewerbeertrags für den jeweiligen Erhebungszeitraum zugrunde lag.

Steuerermäßigung nur für Gesellschafter, deren Einkünfte wirtschaftlich mit Gewerbesteuer belastet

Grundsätzlich sollen nur solche Gesellschafter die Ermäßigung nach § 35 EStG erhalten, deren Einkünfte wirtschaftlich mit Gewerbesteuer belastet sind. Es entspricht allerdings dem typisierenden und damit auch von Vereinfachungsgesichtspunkten getragenen gesetzgeberischen Konzept des § 35 EStG, den Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag nicht entsprechend der tatsächlichen Zugehörigkeit des einzelnen Mitunternehmers, sondern typisierend auf einen bestimmten Stichtag bezogen zu ermitteln.

Eine solche Typisierung muss jedoch den typischen Fall als Leitbild wählen. Der Stichtag für die Anwendung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels muss danach so gewählt sein, dass sowohl bei kalenderjahrgleichem wie auch bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr jedenfalls eine teilweise Identität und damit ein teilweiser Gleichlauf besteht zwischen denjenigen Mitunternehmern, die den erwirtschafteten Gewinn versteuern müssen, und denjenigen Mitunternehmern, die angesichts der Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft eine Steuerermäßigung erhalten. Das ist bei einem Abstellen auf das Ende des Erhebungszeitraums bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr jedoch nicht der Fall.

Stellt man hingegen für die Bestimmung des Anteils eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag stets auf den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs ab, erhalten zwar – als Folge der stichtagsbezogenen Typisierung – auch bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr vor dessen Ablauf ausgeschiedene Mitunternehmer keinen Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zugeordnet. Ebenso wie im Fall des kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahrs werden jedoch diejenigen Mitunternehmer berücksichtigt, die am Ende des Wirtschaftsjahrs an der Mitunternehmerschaft noch beteiligt waren und erst danach ausgeschieden sind. Insoweit besteht in beiden Fällen jedenfalls Teilidentität zwischen denjenigen Mitunternehmern, die den erwirtschafteten Gewinn versteuern müssen, und denjenigen Mitunternehmern, die angesichts der Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft eine Steuerermäßigung erhalten.

BFH, Urteil v. 10.4.2025, IV R 21/22; veröffentlicht am 30.5.2025

Alle am 30.5.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen