Mit Einführung des WtChancenG hat sich die Definition des nicht entnommenen Gewinns maßgeblich geändert. Zum einen wird der nicht entnommene Gewinn um die Gewerbesteuer des Wirtschaftsjahres erhöht (§ 34a Abs. 2 Satz 1 EStG). Fraglich ist jedoch wie der zeitliche Bezug auf das Wirtschaftsjahr zu definieren ist. Laut BMF-Schreiben ist auf den in der Gewinnermittlung enthaltenen Gewerbesteueraufwand abzustellen. Das kann jedoch auch Gewerbesteuern für Vorjahre betreffen. Aus meiner Sicht könnten mit "Gewerbesteuern des Wirtschaftsjahres" auch nur die Gewerbesteuern gemeint sein, die das entsprechende Wirtschaftsjahr der Antragsstellung betreffen. Dies kann insbesondere dann größere Auswirkungen haben, wenn die Gewerbesteuerrückstellungen mit der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer deutlich auseinanderfallen.
Zudem ist durch das WtChancenG neu, dass die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags für den Begünstigungsbetrag (§ 34a Abs. 3 EStG) entnommen werden, außer Ansatz bleiben (§ 34a Abs. 2 Satz 2 EStG). Dabei ist unerheblich, ob die Entnahme tatsächlich zur Zahlung der Einkommensteuer getätigt wurde. Ohne diese Fiktion, würde ein erheblicher Aufwand für den Nachweis der Verwendung der Entnahme entstehen. Die Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag auf den nicht begünstigten Teil des Gewinns (z. B. bei außerbilanziellen Hinzurechnungen oder bei Nachversteuerungstatbeständen) bleibt bei der Hinzurechnung außer Ansatz.
Diese Änderungen haben zur Folge, dass nun der angestrebte ermäßigte Tarif von 28,25 % tatsächlich annähernd erreicht wird.
Beispiel 1:
Unternehmer A erzielt einen Steuerbilanzgewinn von 200.000 EUR. Im Wirtschaftsjahr wurde Gewerbesteuer von 40.000 EUR gewinnmindernd berücksichtigt. Der steuerpflichtige Gewinn beträgt 240.000 EUR. A hat Entnahmen von 20.000 EUR und keine Einlagen getätigt. Nach § 34a Abs. 2 Satz 1 EStG berechnet sich der nicht entnommene Gewinn wie folgt:
Steuerbilanzgewinn | + 200.000 EUR |
./. Entnahmen | ./. 20.000 EUR |
+ Gewerbesteuer | + 40.000 EUR |
Nicht entnommener Gewinn nach § 34a Abs. 2 Satz 1 EStG | 220.000 EUR |
Die außer Ansatz bleibenden Entnahmen nach § 34a Abs. 2 Satz 2 EStG berechnen sich anhand des nach § 34a Abs. 2 Satz 1 EStG ermittelten nicht entnommenen Gewinns vor Anwendung von Satz 2. Die auf den nicht entnommenen Gewinn nach § 34a Abs. 2 Satz 1 EStG entfallende maximal mögliche Einkommensteuer beträgt 28,25 % von 220.000 EUR = 62.150 EUR. Der auf diese Einkommensteuer entfallende Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % von 62.150 EUR= 3.418,25 EUR, für Zwecke des § 34a EStG gerundet auf 3.418 EUR.
Der positive Saldo der Entnahmen und Einlagen (20.000 EUR) übersteigt die fiktiven Entnahmen für Steuerzahlungen nicht (62.150 EUR + 3.418 EUR = 65.568 EUR). Dem nicht entnommenen Gewinn vor Anwendung von § 34a Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG ist deshalb der positive Saldo der Entnahmen und Einlagen (20.000 EUR) hinzuzurechnen.
Der nicht entnommene Gewinn für A beträgt damit:
Nicht entnommener Gewinn nach § 34a Abs. 2 Satz 1 EStG | 220.000 EUR |
+ Entnahmen für Steuerzahlungen | + 20.000 EUR |
Nicht entnommener Gewinn nach § 34a Abs. 2 EStG | 240.000 EUR |
Der Unternehmer A kann die Thesaurierungsbegünstigung für bis zu 240.000 EUR beantragen (weitere Beispiele siehe BMF-Schreiben Rz. 16 ff.).
Nicht abziehbare Betriebsausgaben und steuerfreie Gewinnanteile
Maßgebend für die Anwendung des § 34a EStG ist der Steuerbilanzgewinn. Werden nichtabziehbare Betriebsausgaben außerbilanziell hinzugerechnet, so kann § 34a EStG für diesen Teil des steuerpflichtigen Gewinns nicht in Anspruch genommen werden. Ausgenommen davon ist die Gewerbesteuer (s.o.).
Die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung ist der Höhe nach auf den steuerpflichtigen Gewinn beschränkt. Zwar fließen auch steuerfreie Gewinnbestandteile in den maßgeblichen Bilanzgewinn ein, sie selbst können jedoch – mangels Steuerbelastung – nicht unter die Tarifbegünstigung nach § 34a EStG fallen. Gleichwohl gelten sie bei der Berechnung des nicht entnommenen Gewinns als zuerst entnommen und mindern entsprechend das thesaurierungsfähige Volumen.
Nicht entnommener Gewinn und Entnahmen bei Mitunternehmerschaften
Bei Mitunternehmeranteilen sind sowohl Vorgänge im Gesamthands- als auch im Sonderbetriebsvermögen relevant. Maßgeblich ist stets der einzelne Mitunternehmeranteil: Eine Entnahme wirkt sich nur dann mindernd auf den nicht entnommenen Gewinn aus, wenn sie dem Privatvermögen oder einem anderen Betrieb zugeführt wird.
Unbeachtlich bleiben hingegen reine Umbuchungen zwischen Gesamt- und Sonderbetriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft nach § 6 Abs. 5 EStG. Auch Sondervergütungen stellen nur dann eine Entnahme dar, wenn sie dem Mitunternehmer außerhalb des betrieblichen Bereichs zufließen. Ergänzungsbilanzen sind hinsichtlich etwaiger Mehr- oder Minderwerte wie Einlagen oder Entnahmen zu behandeln.
Bei mehrstöckigen Personengesellschaften ist für den Mitunternehmer der Obergesellschaft ein einheitlicher begünstigter Gewinn zu ermitteln. Dieser umfasst neben dem Anteil am Gewinn der Obergesellschaft auch Ergebnisse aus etwaigen Ergänzungs- und Sonderbilanzen, einschließlich solcher bei der Untergesellschaft.
Entnahmen und Einlagen des Mitunternehmers bei beiden Ebenen – Ober- und Untergesellschaft – sind zusammenzurechnen. Zahlungen zwischen den Gesellschaften bleiben für das Begünstigungsvolumen ohne Bedeutung (Beispiel s. BMF-Schreiben Rz. 23).
Die Hinzurechnung von Steuerbeträgen zum nicht entnommenen Gewinn gem. § 34a Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG erfolgt erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. In der Feststellungserklärung sind deshalb sämtliche tatsächlichen Entnahmen des Mitunternehmers vollständig zu erfassen.