BGH zu Ausgleichszahlungen bei Flugausfällen infolge Streiks

Dies hat der BGH im Falle eines Klägers und seiner Ehefrau entschieden, deren Flug von Hamburg nach Lanzarote am 9.2.2015 wegen eines Streiks des Personals für die Passagierkontrollen annulliert worden war. Der Kläger verlangte im eigenen Namen sowie im Namen seiner Ehefrau von der Fluggesellschaft Ausgleichszahlungen nach der FluggastrechteVO sowie Ersatz der durch die Buchung eines Ersatzfluges entstandenen Mehrkosten.
Klage zunächst erfolglos
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen mit der Begründung,
- die Fluggesellschaft sei infolge außergewöhnlicher Umstände zur Annullierung des Fluges gezwungen gewesen, weil die massiven Störungen im Bereich der Kontrollstellen zu erheblichen Behinderungen geführt hätten, so dass eine einigermaßen kalkulierbare Abflugzeit nicht mehr habe gewährleistet werden können.
- Außerdem habe die Fluggesellschaft zu Recht auf Sicherheitsbedenken hingewiesen, da infolge der eingetretenen chaotischen Situation die erforderliche Sorgfalt der Passagierkontrollen nicht mehr garantiert gewesen sei.
FluggastrechteVO nicht sorgfältig angewendet
Der BGH teilte die Einschätzung der Vorinstanzen nicht und bemängelte deren wenig gründliche Auslegung der europäischen FluggastrechteVO ebenso wie Lücken bei der Sachaufklärung. Grundlage der Entscheidung des BGH war Art. 7 der FluggastrechteVO, die Fluggästen bei Ausfall eines Fluges gestaffelte Ausgleichszahlungen zuerkennt,
- und zwar bei innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km eine pauschale Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro, Art. 7 Abs. 1b FluggastrechteVO.
- Gemäß Art. 5 FluggastrechteVO ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen von der Ausgleichszahlung befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurück zu führen ist,
- die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung ergriffen worden wären.
Ein Streik ist grundsätzlich ein außergewöhnlicher Umstand
Der BGH gab in seinem Urteil den Vorinstanzen insoweit Recht, als auch der Senat den Streik des Personals für Personenkontrollen als einen außergewöhnlichen Umstand qualifizierte, der zur Annullierung eines Flugs berechtigen könne. Der BGH bemängelte aber, dass die Vorinstanzen die weiteren Voraussetzungen für den Wegfall der Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen nicht hinreichend geprüft hätten, insbesondere hätten es die Gerichte versäumt, der Frage nachzugehen, ob das Flugunternehmen alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Flugausfall zu vermeiden.
BGH rügt mangelnde Prüfungssorgfalt der Instanzgerichte
Der BGH vertrat die Auffassung, dass die Zeitverzögerungen bei der Kontrolle der Fluggäste nicht per se zu dem Ergebnis führen mussten, dass kein einziger Fluggast mehr die Maschine rechtzeitig hätte erreichen können. Gegebenenfalls hätte die Fluggesellschaft versuchen können, zumindest einen Teil der Fluggäste noch rechtzeitig zu kontrollieren. Ob solche Versuche sinnvoll gewesen wären und zum Erfolg hätten führen können, hatten die Vorinstanzen aber nicht geprüft und so nach Auffassung des Senats einen Teil ihrer Prüfungsaufgabe nicht erfüllt.
Sicherheitsrisiken bisher zu abstrakt
Darüber hinaus bemängelte der BGH, dass die Vorinstanz ohne kritische Nachprüfung davon ausgegangen sei, dass infolge des starken Andrangs auf nur wenige Kontrollstellen eine Gewährleistung der Sicherheit des Flugverkehrs infolge dann mangelnder Sorgfalt bei den Kontrollen nicht mehr gewährleistet gewesen sei. Insoweit hatten es die Vordergerichte nach Auffassung des Senats versäumt, nach tatsächlichen Anhaltspunkten zu suchen, die ein konkretes Sicherheitsrisiko nahegelegt hätten. Eine unspezifische, lediglich abstrakte Betrachtungsweise reiche für die Annahme eines Sicherheitsrisikos nicht aus. Ohne tatsachenbasierte Argumente sei eine solche Begründung jedenfalls nicht tragfähig.
Mit diesen Erwägungen hat der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
(BGH, Urteil v. 4.9.2018, X ZR 111/17)
Weitere News zum Thema:
BGH stärkt Rechte der Flugkunden bei Verspätung
Fluggastentschädigung bei durch Verspätung verpasstem Anschlussflug
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.1042
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.054
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
966
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
793
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
687
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
673
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
589
-
Wann ist ein Anspruch verwirkt? Worauf beruht die Verwirkung?
559
-
Voraussetzungen und Fristen für die Wiedereinsetzung
553
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
540
-
Vertragsstrafe und Rücktritt schließen sich nicht aus
18.06.2025
-
Angaben unzureichend: Bank muss Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen
17.06.2025
-
Honorar für Studienplatzvermittlung erst mit Studienplatzvertrag
16.06.2025
-
BGH zur Verjährung der Rückforderung von Kontoführungsentgelten
12.06.2025
-
Abgerissener Tankdeckel: Warum der Waschstraßenbetreiber nicht haftet
11.06.2025
-
Kein gutgläubiger Kfz-Erwerb trotz Fahrzeugbrief
02.06.2025
-
Unwirksame Preiserhöhung von Netflix
26.05.2025
-
Ansprüche des Erben eines jüdischen Kaufmanns aus NS-Zeit sind verjährt
08.05.2025
-
Fehlende Widerrufsbelehrung kostet Gartenbauer den gesamten Lohn
07.05.2025
-
Radfahrer stürzt über Leine: Keine Tierhalterhaftung bei Gassirunde aus Gefälligkeit
24.04.2025