Unklare Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie geht zu Lasten der Krankenkasse

Eine Arbeitnehmerin begehrte die weitere Gewährung von Krankengeld über den 19. Juni 2017 hinaus. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Beschäftigte war arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) war bis zum 19. Juni 2017 befristet. Am selben Tag suchte die kranke Arbeitnehmerin die Praxis ihrer Hausärztin auf. Aus praxisinternen Gründen wurde sie nicht direkt untersucht, sondern ihr wurde ein neuer Termin drei Tage später, am 22. Juni 2017, gegeben. Am 22. Juni 2017 wurde dann eine (rückwirkende) AUB ausgestellt.
Krankenkasse verweigert Krankengeldzahlung
Mit Bescheid vom 11. August 2017 unterrichtete die Krankenkasse die Arbeitnehmerin über die Beendigung der Krankengeldzahlung ab dem 20. Juni 2017. Die Arbeitnehmerin habe sich zwar am 19. Juni 2017 in der Praxis vorgestellt, eine Untersuchung sei aber nicht erfolgt. Eine eventuell falsche Rechtsauskunft der Ärztin mit Verweis auf einen späteren für den Krankengeldanspruch angeblich ausreichenden Untersuchungstermin sei nicht der Krankenkasse zuzurechnen.
Unklare Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie: Sozialgericht gibt Klage statt
Das Sozialgericht Stuttgart hat der Klage der Arbeitnehmerin stattgegeben. Die Beschäftigte habe durch das rechtzeitige persönliche Aufsuchen der Arztpraxis alles ihr Zumutbare getan, um ihre Ansprüche zu wahren und sei an der Wahrung der Krankengeld-Ansprüche durch eine Fehlentscheidung der Vertragsärztin gehindert worden. Diese Fehlentscheidung sei aufgrund der missverständlichen Fassung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, welche in § 5 Abs. 3 AU-RL eine rückwirkende AUB erlaube, den Krankenkassen als maßgeblichen Mitakteuren im Gemeinsamen Bundesausschuss zuzurechnen. Der Arbeitnehmerin sei es auch nicht zumutbar gewesen, auf eine Ausstellung der AUB noch am 19. Juni 2017 zu bestehen oder an diesem Tag einen anderen Arzt aufzusuchen (kein sogenanntes "Ärztehopping").
Unklarheiten in der AU-Richtlinie gehen zu Lasten der Krankenkassen
Die durch die missverständliche Fassung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie auf Seiten der Ärzte hervorgerufene Fehlvorstellung, eine rückwirkende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit sei zulässig, ist allein den Krankenkassen und nicht den Versicherten zuzurechnen.
Hinweis: Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 07.10.2020, Az: S 18 KR 1246/18
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