Whistleblower muss Vorwürfe vor der Anzeige gründlich prüfen

Bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zog ein deutscher Arzt, der im Landesspital Liechtenstein angestellt war. Er war während seiner ärztlichen Tätigkeit auf Hinweise gestoßen, dass mehrere Patienten nach einer Morphingabe verstorben waren.
Whistleblower zeigt vermeintlichen Fall verbotener Sterbehilfe an
Er hatte die Vermutung, dass es sich hierbei um aktive Sterbehilfe handelte und zeigte deswegen, ohne sich zuvor intern um Klärung zu bemühen, im Jahr 2014 seinen damaligen Chef bei der zuständigen Staatsanwaltschaft an. Es kam zu einem Ermittlungsverfahren gegen den Chefarzt wegen Tötung auf Verlangen. Dem "Whistleblower-Arzt" wurde daraufhin fristlos gekündigt und das Krankenhaus leitete ein Verfahren wegen mutmaßlicher falscher Verdächtigung gegen ihn ein.
Sowohl das Ermittlungsverfahren gegen den Chefarzt als auch das Verfahren wegen falscher Verdächtigung gegen den "Whistleblower-Arzt" wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Arzt wehrte sich jedoch gegen seine Kündigung und zog dabei bis vor den EGMR. Er berief sich darauf, in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt zu sein.
Gerichtshof sieht Kündigung des Whistleblowers als gerechtfertigt an
Der Fall zeigt beispielhaft die Problematik des Whistleblowings: Ist es einem Whistleblower zumutbar, ein vermeintliches Vergehen zunächst intern aufzuklären? Zumal, wenn es wie hier scheinbar um Straftaten erheblichsten Ausmaßes geht? Welche Sorgfaltspflichten treffen einen Whistleblower bei der Recherche des angeblichen Fehlverhaltens, bevor er eine Information an die Behörden gibt?
Der EGMR entschied, dass die Entlassung angesichts der Auswirkungen auf den Ruf der Klinik und den seines Chefs gerechtfertigt war. Der Eingriff in die Rechte des Arztes sei als verhältnismäßig anzusehen. Zwar habe der Arzt nicht aus unlauteren Motiven gehandelt, aber angesichts der Schwere der Vorwürfe hätte er die Fakten gründlicher prüfen müssen.
Hinweis: Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Rechtssache Gawlik gegen Liechtenstein, 23922/19.
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