Digitale Geschäftsmodelle: Wo liegen die Unterschiede bei Analysen, Werkzeugen und Kennzahlen?

Was prägt digitale Geschäftsmodelle?
Um uns herum entstanden die letzten Jahre sehr viele neue Geschäftsmodelle, die auf digitalen Technologien oder Plattformen basieren. Dabei sind die Produkte oder Dienstleistungen entweder ausschließlich digital oder sie werden in Kombination mit physischen Produkten angeboten. Im letzteren Fall spricht man oft von hybriden Produkten oder Leistungsangeboten.
Viele der rein digitalen Geschäftsmodelle kommen aus dem Silicon Valley oder anderen Tech-Hubs in den USA. Jeder von uns kennt die Success-Stories von Netflix, Airbnb, LinkedIn oder Amazon und hat vielleicht auch selbst als Kunde oder User zu deren Erfolg beigetragen. Bei diesen Geschäftsmodellen gibt es erhebliche Unterschiede bzgl. des Erlösmodells. Drei der typischen Ausprägungen möchte ich kurz skizzieren:
- Freemium-Angebote haben eine kostenlose Nutzungsbasis mit beschränkten Funktionen: Sobald Zusatzleistungen und weitere Funktionen gewünscht werden, muss für den Zugang, z. B. über eine Mitgliedschaft, gezahlt werden. Ein Beispiel hierfür ist das soziale Business-Netzwerk LinkedIn.
- Plattform-basierte Geschäftsmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass damit Käufer und Verkäufer gekoppelt werden und die Geschäftsmodelle Umsätze durch Provisionen generieren. Ein sehr erfolgreiches Beispiel hierfür ist Amazon.
- Subscription-basierte Geschäftsmodelle generieren kontinuierliche Erlöse, indem die Kunden fortlaufende Zahlungen über Abonnement-Vereinbarungen ermöglichen und dafür Produkte oder Services nutzen dürfen. Ein sehr bekanntes Beispiel hierfür ist der Streaming-Anbieter Netflix.
Auch klassische Industriebetriebe beschäftigen sich seit Jahren mit solchen neuen Geschäftsmodellen. Gepusht haben diese Überlegungen und Aktivitäten auch Initiativen wie die Industrie-4.0-Kampagne des VDMA. Hierbei wurde schon vor über 10 Jahren betont, dass datenbasierte Geschäftsmodelle ein zukünftiges Standbein deutscher Maschinenbauunternehmen sein könnten. Im Kontext des Trends zur Servitization wird immer wieder betont, wie wichtig es für produzierende Unternehmen ist, hybride Produkte anzubieten und das Geschäftsmodell vom reinen Produkthersteller zum Anbieter von Produkten und Services zu entwickeln.
Wie das Controlling digitale Geschäftsmodelle challengen sollte
Welche Rolle spielt nun das Controlling beim Aufbau und Betrieb von digitalen Geschäftsmodellen, unabhängig davon, ob diese Teil eines Leistungsbündels sind (und damit in der Regel Teil eines hybriden Produkts) oder eigenständig funktionieren? Meiner Meinung nach sollte sich das Controlling bereits in der Entwicklungsphase eines neuen Geschäftsmodells stark einbringen und die richtigen Fragen stellen bzw. Analysen durchführen.
Dies kann anhand einer Geschäftsmodelllogik erfolgen, sei es der St. Gallener Business Model Navigator, das Business-Canvas-Konzept oder ein anderes etabliertes Konzept. Im Kern sind stets die ähnlichen Fragen zu stellen:
- Welche Kunden sollen angesprochen bzw. welche Märkte erobert werden? Sind es z. B. ganz neue Kunden, die mit den bisherigen (physischen?) Produkten nicht zu tun haben oder sollen bestehenden Kunden Zusatzleistungen (z. B. ein neuer Datenservice) verkauft werden? Das Controlling sollte bewerten, ob die Kundenbasis überhaupt vorhanden und erreichbar ist und diese ausreicht, um ein eigenständiges Business aufzubauen. Ich meine, ein Business-Partner muss dies können und den Mut haben, sich hier durchaus auch kritisch einzubringen.
- Wie sieht die Leistungserbringung oder die Wertschöpfung aus? Das Controlling sollte verstehen, ob diese selbst erstellt wird oder ob von Partnern zugekauft werden muss? Hierbei gilt es, frühzeitig eigene Kosten, Beschaffungsumfänge und Risiken bzgl. der Leistungserbringung realistisch abzuschätzen.
- Was ist das eigentliche Nutzenversprechen des neuen Geschäftsmodells? Das Controlling sollte verstehen, welche neuen digitalen Services angeboten werden, ob sich diese von anderen Angeboten im Markt erheblich unterscheiden und eine ausreichende Qualität für den Markterfolg haben. Auch diese Thematik geht weit hinaus über das, was Controllerinnen und Controller in der Regel machen, aber eine Beschäftigung damit ist beim Aufbau neuer digitaler Geschäftsmodelle unerlässlich.
- Wie sieht die Ertragsmechanik des neuen Geschäftsmodells aus? Hier sind wir bei einem Kernthema des Controllings anbelangt: Womit wird Geld verdient? Was sind die Einnahmequellen und welches Ökosystem steht dahinter? Wie werden die digitalen Angebote vergütet? Über die Nutzung (pay-per-use), über Abonnements oder über Vermittlungsgebühren?
Diese Überlegungen zum Geschäftsmodell und die Diskussionen mit den Managern sollten als Ergebnis eine Business-Case-Berechnung mit verschiedenen möglichen Entwicklungsszenarien des neuen Geschäftsmodells zur Folge haben. Dies hilft, um sich gemeinsam nochmals intensiv mit den erwarteten Kosten- und Erlöspositionen auseinanderzusetzen.
Entscheidet man sich dann, das Geschäftsmodell zu etablieren, ist genau zu überlegen, wie dieses Vorhaben im Kern gesteuert werden soll. Eine positive Entscheidung ist im Übrigen auch möglich, wenn die erste Business-Case-Prognose eher schlecht aussieht, da man z. B. aus strategischen Gründen denselben Datenservice wie ein direkter Wettbewerber anbieten muss.
Welche Kennzahlen sind wichtig?
Neben finanziellen KPIs gewinnen operative KPIs an Bedeutung. Mit finanziellen KPIs wird der Fokus auf Umsatzwachstum und die Monetarisierung des neuen Geschäftsmodells gelegt, mit operativen KPIs kann man den Schwerpunkt auf das Umsatzpotenzial legen (Abb. 1). Hierbei geht es darum, wie das Produkt am Markt von den Kunden wahrgenommen wird (gibt es z. B. viele Likes und Seitenaufrufe?), wie potenzielle Kunden zu tatsächlichen Kunden werden können (dies bezeichnet man als Konversionsrate).
Schließlich geht es auch um die Zufriedenheit der Kunden (gemessen etwa über den Net-Promoter-Score) sowie um die Kundenbindung (Retention, d. h. z. B. Messung der einmaligen vs. der wiederkehrenden Nutzer einer Plattform). Ganz neue Kennzahlen also für Controllerinnen und Controller, die auch belegen, dass die Kenntnis der Produkte bzw. Services sowie der dahinterliegenden Prozesse notwendige Zusatz-Skills im Kontext digitaler Geschäftsmodelle sind. Damit sind wir wieder beim Geschäftsmodell und dessen Durchdringung sowie Verstehens durch das Controlling.
Praxisbeispiel: Controlling digitaler Geschäftsmodelle bei Bosch
Prof. Stefan Asenkerschbaumer hat vor ein paar Jahren skizziert, wie Bosch bzgl. digitaler Geschäftsmodelle agiert (vgl. hierzu Nasca 2019). Bosch differenziert hierbei nach drei Phasen der Steuerung und setzt Kennzahlen differenziert nach den Kategorien Nutzer (N), Partner (P) und Entwickler (E) ein.
- Phase 1: Hier stehen die Erstellung eines „Minimum Viable Product“ (eines Basisprodukts mit einigen Kernfunktionen, das schrittweise aufgrund von Marktfeedback weiterentwickelt wird) und die Plausibilisierung des Geschäftsmodells im Vordergrund.
- Phase 2: Nun folgen die Skalierung der Nutzer und die Kostenverfolgung. In dieser Phase werden zudem neue KPIs entwickelt.
- Phase 3: Schließlich beginnt die Monetarisierung. Nun kommen sowohl klassische als auch neue KPIs zum Einsatz, um die Rentabilität der Geschäftsmodelle hinreichend prüfen und steuern zu können.
Speziell für die Phasen 2 und 3 akzentuiert auch Bosch bei seinen digitalen Geschäftsmodellen die oben skizzierten Schwerpunkte: Kundengewinnung, Konversion und Kundenbindung. Dabei werden größtenteils die bekannten Kennzahlen eingesetzt. Hinsichtlich der Konversion etwa die Konversionsrate sowie die Kennzahl „Return on Advertising Spending“. Für die Steuerung der Kundenbindung werden die KPIs Online-Bewertungen, „Monthly Returning Revenues (MRR)“ oder der „Customer Lifecycle Value“ eingesetzt.
Eine große Herausforderung bei digitalen Geschäftsmodellen und Start-ups ist der anfangs sehr hohe Liquiditätsbedarf. Hierauf muss das Controlling besonders achten und daher neben der Kosten- und Erlösebene auch die Cashflow-Planung und dessen Reporting als besondere Aufgabe sehen.
Insgesamt sind auch Planung und Reporting als wichtigste Controllingaufgaben den oft sehr volatilen Umfeldern anzupassen. Beide sollten in kurzen Zeitabständen erfolgen und rollierende wie agile Planungsmethoden anwenden.
Der Artikel ist ein Auszug aus Controller Magazin 3/2025.
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